Gedichte, Lieder, Mundart

Goldbachtaler Heimatklänge, gespielt von Jenny, Enkelin von Karl Woda

Gedicht von Walther Reinhard

Von Brunhild Schindler Bständig



Die Zigeuner und die Müllerin
von Müller Liesl (verh. Ludwig, geb. Kauer)

Sie kamen zur Mühle und bettelten,
drei glutäugige Mädchen – schön waren sie.
„Ach Muada, gebt uns Mehl und Schmetten,
wir wollen unser Schwesterchen retten,
es hat das Füßchen verbrannt in der Früh“.
Die Müllerin gab – und sie fragte sie,
bevor mit flatternden Röckchen sie weggerannt,
„wie heißt Ihr?“ und schon halb abgewandt
riefen sie zurück: „Bianca, Pippiana,
und ich bin Marie“.

Hinter der Mühle am Waldesrand,
wo der Bach und der Weg vorbei ins Städtchen fand,
da hatten sie ihr Lager aufgeschlagen
mit Pferden und mit Wagen.
Die Leute aus dem Dorf aber fragten:
„Müllerin, hast Du keine Angst, daß sie stehlen,
daß eines Tages deine Hühner dir fehlen?“
Die Müllerin aber lachte und sagte:
„Aber Leut, vielleicht andere, aber doch net die,
nicht die Bianca, nicht die Pippiana
und nicht die Marie!“

Die Kartoffelernte sollte eingebracht werden,
es fehlte an Leuten wie noch nie.
„Wollt ihr mir nicht helfen, ihr Zigeuner?“
fragte die Müllerin – und da kamen sie
und sammelten flink und behend
mit nackten Füßen und mit bloßem Bein
die Ernte mit ein.

Die Müllerin gab Schuh' und gab Strümpf
und im Dorf gab es kein Geschimpf.
Die Leute staunten gar sehr,
denn so fleißig sah man die Zigeuner nie vorher
und auch diese Mädchen noch nie,
nicht die Bianca, nicht die Pippiana
und nicht die Marie.

Die schlachtreifen Enten sind weg!
Wo sind sie nur geblieben?
„Sicher haben sie die Zigeuner eingetrieben!“
so hörte man die andern sagen.
Ich lief zu ihnen ins Lager und mußte sie fragen
und sie suchten mit mir
und wir fanden das Getier
am Bach, hinter einer Hecke
im guten Verstecke.

„So schnell verdächtigt man niemand und nie!“
sagte mahnend die Müllerin,
und schon gar nicht die Bianca, die Pippiana
und nicht die Marie.“

Sie brieten den Igel am Spieß -
genau so, wie es ist heute modern.
Sie saßen in der anbrechenden Nacht um das Feuer.
Sie luden mich ein zum Braten und Wein,
doch ich lief weg, es war mir nicht geheuer.
Nur aus der Ferne da sah ich sie,
wie sie scherzten und lachten
und wie vergnügt sie waren
die Bianca, die Pippiana und die Marie.

So wie die Zigeuner wurde die Müllerin verjagt,
sie wurde vertrieben,
fort vom geliebten Tal, der Mühle,
fort von all ihren Lieben.

Nach langen Jahren fand eine Heimat sie wieder
im deutschen Lande, wo man sang deutsche Lieder.
Sie hat dann viele, viele Briefe geschrieben,
hat die Verbindung gehalten mit ihren Lieben,
doch – wo sind wohl die Zigeuner geblieben?
Ich fragte im Osten, im Westen,
in manchem Zigeunerlager suchte ich sie,
doch fand ich sie nie,
nicht die Bianca, nicht die Pippiana
und nicht die Marie.