Groß-Otschehau

Ein großer Teil der Texte ist entnommen aus: Wenzel Rott, „Der politische Bezirk Podersam“, 1902 – „Eine Heimatskunde für Schule und Haus“. In manchen Bereichen ergänzt durch spätere Forschungen und Veränderungen: Christel Demel, Betreuerin des Heimatkreises Podersam-Jechnitz und Gemeindebetreuerin von Groß- und Klein-Otschehau.

Lage

Groß-Otschehau ist einer der ältesten Orte im Goldbachtal, eine seit der Jungsteinzeit besiedelten Landschaft mit auffallend roter Erde. Im Süden des Ortes ragt der waldbedeckte Horerberg oder die Hora (436m) über die zahlreichen Hopfgärten auf, die um das Dorf und an den Ufern des Goldbaches lagen.

Zur Kreisstadt Podersam beträgt die Entfernung 5,5 km, zur nächsten Bahnstation in Kriegern 4,9 km. Im Jahr 1902 bestand die selbständige Gemeinde aus 132 Häusern (5 waren unbewohnt) und 682 Einwohnern. Die 3 km entfernte Ortschaft Wohlau, der 1 km entfernte Hammelhof und die gegen Flöhau zu liegende Kleinmühle gehörten zum Ort. Bezirksstraßen führen von hier nach Kriegern, nach Podersam und zur Staatsstraße Eisenstein-Teplitz, die etwa 1 km südlich des Ortes vorbeiführt. Die Zeile der dort befindlichen Häuser wird „Hradschin“ genannt. Der Goldbach vereinigt sich auf dem Gemeindegebiet am linken Ufer mit dem Wohlauer, am rechten Ufer mit dem Klein-Otschehauer oder Wießner Bach. Während der Schneeschmelze und nach verheerenden Regengüssen führt der Goldbach Hochwasser.

Steg über den Goldbach bei Hochwasser an der Kleinmühle. Im Hintergrund die „Hora“, der „Hausberg“ der Groß- und Klein-Otschehauer. 1943.

Haus Lifka zwischen Dorf und Hradschin. Der Goldbach füllt sein tiefes Bachbett, das er 1878 durch die Wassergenossenschaft erhalten hatte.

Von der Staatsstraße kommend führt die Bezirksstraße über die alte Brücke in den Ort.

Brücke über den Goldbach in Groß-Otschehau mit einem Standbild des Hl. Nepomuk. Im Hintergrund die Kirche St. Martin, die in ihrer ältesten Bausubstanz aus der Zeit der Romanik stammt.

Die Ortsanlage ist regelmäßig. Fast sämtliche Häuser waren 1902 feuersicher gebaut und reihten sich um einen Ortsplatz, der den Marktplatz manches Städtchens an Größe und Schönheit übertroffen hat. Die Bewohner hatten 1855 den Ortsteich abgelassen und auf dem nun weiten Platz eine große Dreifaltigkeitsstatue errichtet.

Groß-Otschehau nach 1855. Rechts die Schule, daneben das Gasthaus Weis, vormals Riedel und an der Ecke der Kaufladen Zentner.

Die Dreifaltigkeitssäule ist der Mittelpunkt des Ortes. Rechts Gasthaus Weis, daneben Kaufladen Zentner. Im unteren Dorf sieht man die Höfe Schneider (Hausname Petschauer), daneben Laurer.

Eine spätere Ansicht zeigt, dass der Kaufladen Zentner (oben r.) angebaut worden ist. Im unteren Dorf sind von rechts die Höfe Schmid, Schneider und Laurer zu sehen. In der Mitte der unteren, nördlichen Häuserzeile das Gemeindehaus.

Zwischen 1935 und 1937 wurde der weite Ortsplatz zu einer Gartenanlage um die Dreifaltigkeitssäule angelegt. Foto: Johann Falge, 1938

An der Westseite des Ortsplatzes stand das Gasthaus Schnürl (rechts) und links der Kaufladen Süssner. Beide Gebäude wurden nach 1946 abgerissen.

Postkarte: Nordwestliche Seite: Zwei „Hopfenballen“ mit schon gedörrtem Hopfen stehen wohl zur Abholung zum Wiegen bereit. Vor 1935. Unten links die Schule, rechts Gasthaus Schnürl, Kaufladen Süssner und Hof Janka.

Gemeindehaus 1938 mit Dreifaltigkeitssäule. Foto: Johann Falge, 1938

Kriegerdenkmal 1938, dahinter die Höfe. V.l.: Fickert, Laurer, Schneider. Postkarte.

Foto Albin Groschup, 1992

Landwirtschaft

Die Fluren sind fast ausnahmslos begünstigt durch eine geschützte, ebene Lage, einen tiefgründigen, fruchtbaren Boden und durch ein mildes Klima. Deshalb steht hier auch die Landwirtschaft auf hoher Stufe, und alle modernen Hilfsmittel wie verschiedene Maschinen werden eingesetzt. Angebaut werden alle Feldfrüchte, aber der Hopfen bildet die Hauptfrucht und erfährt deshalb auch die reichste Pflege. Rechte Fürsorge wendet man auch den Wiesen zu (4% der Gesamtfläche) und dem Obstbau, der sich auf Feldanlagen, Alleen und Hausgärten verteilt und wohl über 9000 Stämme umfasst.

Hopfgarten im Sommer am Goldbach in Groß-Otschehau.

Einige Hopfenbauern mit zwei Hopfenballen, die vor dem Abtransport noch zum Wiegen und Bezeichnen gebracht werden müssen. Postkarte (Ausschnitt).

Kaufmann Zentner war 1911 Wiegemeister. Der Ortsgendarm brennt mit einem Bügeleisen und Blech-Schablonen die genaue Herkunft des Hopfens, das Jahr und eine Nummer auf den Hopfenballen:

1911
N 28, 29, 30
GOLDBACHTAL
GROSOTSCHEHAU
BEZIRK SAAZ
BÖHMEN ÖSTERREICH

An dem Hopfensack Nr. 28 (rechts) hängt ein Stempel, mit dem die Säcke oder Ballen wohl mit dem Ortssiegel versehen worden sind. Goldbachtaler Hopfen ging damals in alle Welt.

Hopfenbauernhof Eisenstein um 1935/36. Foto: Dr. Emil Eisenstein.

Hopfenbauernhof Bachheibl. Annl Bachheibl-Chalupka war 18 Jahre Gemeindebetreuerin von Groß-Otschehau, stammte aus diesem Hof, der abgerissen wurde. Alle Hopfenbauernhöfe hatten eigene Hopfendarren, in denen die Hopfendolden getrocknet wurden.

Über die vielen Obstbäume und die üppigen Hopfenanlagen schrieb Anton Leo Dembitzki, Oberlehrer und Schulleiter von 1891 – 1917 in Wenzel Rott, „Der politische Bezirk Podersam“ folgende Zeilen: „Welch reicher Segen in einem günstigen Obstjahre! Und welch schöner Anblick wird dem Naturfreunde z.B. vom Horaberge aus, wenn er die blumigen Wiesen, die prangenden Gärten, die üppigen Hopfenanlagen und die wogenden Saatfelder im weiten Umkreise übersieht, die schmucken Orte mit den freundlichen Häusern mitten in solche Herrlichkeit gebettet schaut! Fürwahr, das Goldbachtal führt den Namen mit voller Berechtigung. Auch der Wald fehlt dem Bilde nicht. So wie er aus der Ferne grüßt (Elementenwald) so einladend winkt er aus nächster Nähe (Horerberg oder Hora).

Die Hora war ein Eldorado für Jäger, die das Niederwild (Hasen, Kaninchen (Kunigl) und Rebhühner schießen durften.

Viehzucht

Die Viehzucht erlangt immer mehr Bedeutung. Um 1902 ergab die Zählung der landwirtschaftlichen Nutztiere 62 Pferde, 412 Rinder, 95 Ziegen, 322 Schafe, 225 Schweine, 27 Bienenstöcke und eine große Menge verschiedenes Geflügel. Bürgermeister war 1902 der Landwirt Karl Nack.

Einer seiner Nachkommen, Edwin Nack mit seinem Pferd.

Schafhirt mit Herde vor der Hora.

Geschichtliches

Archäologische Funde aus der Jungsteinzeit, Bronze- und Hallstattzeit bis zur altslawischen Besiedlung konnten im Flurteil „das alte Dorf“ ergraben werden: Geschirr, Kohlenreste, Hufeisen, alte Münzen, eine Handmühle aus Stein und Kanonenkugeln. Auch Goldringe fand man, die nach Ansicht der damaligen Fachleute als „erstes Geld“ während der Bronzezeit (1800 – um 1300 vor Chr.) gedient hätten. Die Goldringe gehören zu einem Hortfund aus der Bronze– und Hallstattzeit, der im Museum Komotau aufbewahrt wird. Auch Körpergräber mit schnurkeramischen Scherben und Brandgräber der Knowieser Kultur konnten vor 1900 geöffnet und die Funde verschiedenen Museen in Podersam, Saaz, Komotau und dem Naturhistorischen Museum in Wien übergeben werden.

Eines der Gefäße, die man im „Alten Dorf Otschehau“ gefunden hat. Es stammt aus der jungsteinzeitlichen Glockenbecherkultur (etwa 1900 – 1800 v. Chr.) und kann im Museum Podersam besichtigt werden. Foto: Karl Kostinek 2012.

Wahrscheinlich lag Groß-Otschehau einst an dieser Stelle und wurde in den Hussitenkriegen (1419 – 1439) total zerstört. Die Überreste alten Gemäuers werden als ehemaliges Cisterzienserinnenkloster bezeichnet. Da aber alle Belege oder Urkunden für diese Annahme fehlen, so dürften es auch die Überreste des alten Schlosses sein, schrieb Oberlehrer Dembitzki 1902 (W. Rott, S. 309).

Allerdings vermutete die Kunsthistorikerin Dr. Eva Bukolská bei der Untersuchung der Architektur der herrschaftlichen Eigen- und Emporenkirche St. Martin 1958, dass das ehemalige Castell oder Schloß eher in unmittelbarer Nähe der Kirche, also auf dem Areal der später darauf gebauten Schule zu suchen sei.

Zugang zur Kirche St. Martin. Vorn die Schule, die auf dem Areal des im 30jährigen Krieg zerstörten Castells oder Schlosses stehen soll.

Der herrschaftliche Besitz mit Maierhof in Groß-Otschehau

Schon im 8. Jahrhundert soll ein Schloß des Ritters Wotschehow hier gestanden haben. Aber erst aus dem Jahr 1275 gibt es die erste Urkunde, in der der Přemislide Ottokar II. Groß-Otschehau dem Sulislav zuteilt, aus der Erbschaft des Vaters Sulislav von Trnovany. Die Gemahlin des Sulislav war Zdislawa, Nichte des Prager Bischofs Johann, von dem ihre Güter stammten. In dieser Zeit (13.Jhdt) entstand neben einem Kastell des Sulislav von Trnovany und seiner Frau die erste Kirche im romanischen Stil, dem hl. Martin geweiht. Burg und Herrschaft Groß-Otschehau war 1298 im Besitz des Přibyslav von Groß-Otschehau, 1403 Alexander von Zebesko, 1412 die Herren von Lobkowitz und Gutstein, 1546 Hieronymus von Hrobschitz, der die schon unbewohnte Burg wieder errichten ließ. Am Beginn des 30 jährigen Krieges 1618 beteiligte sich Christof von Hrobschitz am Aufstand der Stände. Nach der Schlacht am Weißen Berg bei Prag verlor er Groß-Otschehau durch den Einzug seiner Güter. Zwischen 1631 und 1648 wurde der Ort durch die Schweden zerstört. 1651 wohnten 100 Personen in den ,,feuer- und brandstätten". 98 Personen trugen deutsche Namen. Wirt und Müller werden als ,,frey" bezeichnet, die 7 Bauern-, eine Richter- und 13 Taglöhnerfamilien waren „underthanen" der Herrschaft Podersam. Die letzte Besitzerin der gesamten Herrschaft war Prinzessin Elisabeth, Markgräfin von Baden-Baden und Hochberg. Nach ihrem Tod fiel der Besitz an die k. u. k. Hofkammer. 1790 wurden aus dem Groß-Otschehauer Gut elf Einzelbesitze gebildet und an Bauern verkauft, aber trotzdem blieb ein Meierhof bestehen, der 14% der Gesamtfläche des Ortes bebaute. 1902 waren die Eigentümer Hielli und Dittrich.

Die St. Martins-Kirche

Die älteste Bausubstanz reicht zurück in die 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, in die Zeit des Baustils der Romanik. Sie ähnelt sehr der Rudiger St. Jacobskirche. Beide Kirchen haben gleiche Grundrisse, haben den gleichen monumentalen Turm, wurden aus sorgfältig zubehauenen roten Sandsteinquadern gebaut. Sowohl im Unter-, als auch im Obergeschoß des Turmes sind die schmalen Fenster mit romanischen Rundbögen ausgestattet. Vom Obergeschoß des Turmes konnte man die Empore erreichen. In der Zeit der Gotik wurde die Kirche umgebaut, wie das Eingangsportal an der Südwand des Schiffes zeigt. Da 1970 ein großer Brand Kirche, Schule, 7 Bauernhöfe und 13 andere Häuser zerstörte, wurde die Kirche auf den romanisch-gotischen Resten im Baustil des Barock wieder aufgebaut und erhielt eine Zwiebelkuppe mit hoher Laterne. Erneut umgeändert wurde sie 1841. Es wird vermutet, dass das Kastell Groß-Otschehau neben der Kirche stand und nach der Zerstörung im 30jährigen Krieg nicht wieder aufgebaut wurde.

Älteste Bausubstanz ist der wuchtige Turm mit Rundbogenfenstern aus der Zeit des Baustils der Romanik.

Der Hochaltar mit dem Bild von St. Martin.

St. Jacobs-Kirche in Rudig, die der Groß-Otschehauer St. Martins-Kirche in Bauweise, Baumaterial und Alter vergleichbar ist. Eine ähnliche Turmhaube hatte vor dem Brand von 1790 auch die Groß-Otschehauer Kirche.

Schule und Schulmeister, Lehrer und Oberlehrer der „Trivialschule“, später Volksschule in Groß-Otschehau

In Groß-Otschehau bestand vor 1750 eine sogenannte „Winkelschule“. Im gleichen Jahr wurde unter Kaiserin Maria Theresia in Groß-Otschehau eine „Katholische Trivialschule“ errichtet, die bis 1753 vom Podersamer Kantor Johann Adam Vögl betreut wurde, wovon er verschiedene Einnahmen hatte. 1753 wurde jedoch in Groß-Otschehau ein ordentlicher Schulmeister eingestellt und Kantor Vögl beschwerte sich beim Podersamer Magistrat wegen seiner nun fehlenden Einnahmen, worauf ihm der Magistrat 12 fl (Florin oder Gulden) als Kompensation bewilligte. Der erste „Schulmeister“ in Groß-Otschehaus war Josef Leiner (1753-1764).

Es folgten:

  • Franz Josef Vettermann (1764-1818)
  • Prokopp Miksch (1818-1836)
  • Peter Miksch (1836-1875)
  • Anton Scharloth (1875-1885)
  • Candidus Berger (1885-1891)

Der Hammelhof

Hammelhof 1923. Erste eigene Dreschgarnitur mit elektrischem Antrieb.

Er gehörte ursprünglich zum Meierhof Groß-Otschehau und liegt in 1 km Entfernung gegen Podersam zu. Markgräfin Elisabeth von Baden-Baden und Hochberg setzte als Schafhirten drei Brüder Hochberger ein. Als 1790 der Meierhof teilweise an Bauern verkauft wurde, erhielten die drei Brüder jeweils 60 Strich Feld (ca. 17 ha) und eine Schafhütte als Wirtschaftsgebäude. Ab 1910 kaufte die Familie Fickert nach und nach die drei Hofstellen auf. Die Besitzer wurden 1946 mit anderen Groß-Otschehauern nach Bayern vertrieben und konnten in Neu-Heiligenthal bei Würzburg wieder einen Hof erwerben, den Dieter Fickert führte und später verpachtete.

Die Teiche

Das Gebiet der Teiche reichte früher von der Podersamer Bezirksstraße bis nach Wohlau. Die Flur heißt „Im Teiche“. Verschiedene Sagen ranken sich um den Wassermann, der hier hauste. Da sich über dem „Wetterteich“ oftmals Gewitter mit Hagelschlag bildeten, ließ man ihn ab und schenkte das gewonnene Land der Kirche. Nach 1946 wurden die Teiche wieder geflutet.

Teich zwischen der Straße nach Podersam gegen Wohlau zu.

Aus der Chronik der Gemeinde

  • 1790: Großer Brand, dem Kirche, Schule, 7 Bauernhöfe und 13 andere Häuser zum Opfer fielen
  • 1854 wurde die Bezirksstraße von der an der Staatsstraße Eisenstein–Teplitz liegenden Ziegelhütte durch den Ort bis zum Elementenwald gegen Podersam gebaut. Die Kosten im Betrag von 10000 fl (Gulden) wurden durch die Gemeindeumlagen gedeckt.
  • 1858 verloren beinahe sämtliche Besitzer ihr Rindvieh durch die Lungenseuche.
  • 1866: Cholera. 20 Menschen starben.
  • 1872, 25. Mai: Schreckenstag im Goldbachtal. Durch Wolkenbrüche am Oberlauf des Baches waren 14 Teiche gerissen und hatten ein derartiges Hochwasser ausgelöst, dass das Wasser um Mitternacht 3 m über die Brücke ragte. 5 Häuser wurden vernichtet, 8 Menschen ertranken.
  • 1873: Gründung der freiwilligen Feuerwehr
  • 1878: Gründung der Wassergenossenschaft